System-Aufstellungen

Menschen sind lebendige Systeme. Familien sind lebendige Systeme. Freundschaften, Partnerschaften, berufliche Teams, Unternehmen, Organisationen sind lebendige Systeme. Was heißt das?

Was heißt „System“?

In einem technischen System wie zum Beispiel einem Automotor sind alle Teile des Systems miteinander verbunden, um sinnvoll zum Zweck dieses Systems beizutragen. Dasselbe trifft auf soziale, also von Menschen gebildete, Systeme zu. Ob bewusst oder unbewusst, ob aus Sicht des einzelnen absichtlich gewollt oder nicht – alle Mitglieder einer Familie, alle Teile eines wirtschaftlichen Betriebs, eines Vereins, einer Gemeinde und alle Teile deines Körpers sind miteinander verbunden. Sie reagieren auf Veränderungen innerhalb des Systems wie auf Veränderungen, die von außen einwirken. Beispiele:

  • Ob ein Kind adoptiert wurde, ein Wunschkind ist, in Vitro oder durch Gewalt gezeugt wurde: Es gehört zum Familien-System der leiblichen Mutter, der Adoptiveltern oder des gewalttätigen oder unbekannten Vaters dazu, unabhängig davon, was die Mutter oder später das Kind selbst darüber denkt.
  • In Organisationen gehören auch verstorbene Gründer und Vorgänger auf einzelnen Arbeitsplätzen zum System der Gegenwärtigen.
  • Im menschlichen Organismus gehören ebenfalls „alle“ dazu: ob du deine Figur magst oder nicht, ob dir ein Symptom Kummer bereitet und du es „weghaben“ willst, ob du gar ein Organ verloren hast: alles gehört zum System deines Organismus dazu.

Anschauen und anerkennen, was wirkt

Maluri - Green Tornado

Maluri – Green Tornado

Diese Beispiele zeigen schon, dass es eine Frage des Bewusstseins ist, sich so auf das gegenwärtig Gegebene zu beziehen. Wunschdenken bringt uns nicht weiter. Systeme entstehen, wachsen, schrumpfen, vergehen. All diese Veränderungen sowie den Zweck des jeweiligen Systems gilt es bewusst wahrzunehmen und zu würdigen. Mit „würdigen“ ist nicht gemeint, jemanden oder etwas positiv zu bewerten! Es geht darum, dass das, was ist, gesehen und in seiner möglichen Wirkung auf das Ganze erkannt wird. Wenn einem Auto das Motoröl fehlt und es nicht aufgefüllt wird, wird der Wagen zunächst in seiner Leistung und auf Dauer grundsätzlich in seiner Funktion beeinträchtigt.

  • Wenn einem adoptierten Kind dauerhaft die Wahrheit verschwiegen oder es daran gehindert wird, nach seinen biologischen Ahnen zu forschen, spürt dieses Kind eine Dysbalance zwischen seiner feinen Wahrnehmung und dem, was gesagt und getan wird. Es wird mit einer permanenten inneren Spannung leben, die sich unter Umständen zu einer massiven psychischen Störung entwickelt.
  • Wenn jemand den Arbeitsplatz eines Menschen übernimmt, der zuvor aus dem Team „gegangen wurde“, wird er sofort spüren, dass etwas in der Luft liegt, auch wenn er keine offene Information darüber erhalten hat. Möglicherweise wird es ungewöhnlich anstrengend für ihn, sich einzuarbeiten. Wenn er diesen Grund erkennen kann und seinen Vorgänger würdigt, kommt er selbst wieder in Balance.
  • Wenn jemand ein Organ verloren hat, brauchen das Organ selbst und der Verlust Würdigung. Anzuerkennen, was wirkt, bedeutet hier Dank an das Organ für seine Leistung, die es bis hierhin erbracht hat, und Trauer, um den Verlust voll zu akzeptieren. So zu tun, als ob nichts gewesen wäre, bringt genauso Dysbalance wie jahrelanges Klagen.

Wozu System-Aufstellungen?

Maluri - See

Maluri – See

Systeme haben in sich die Tendenz zur Balance, die dem Erhalt des Systems dienen soll. Wenn Menschen diese notwendige Balance nicht berücksichtigen, reagiert das System mit Symptomen. Der menschliche Organismus zum Beispiel mit Krankheit, Sucht, psychischen Störungen. Ein Betrieb zum Beispiel mit hoher Fluktuation. Eine Familie zum Beispiel mit „unsinnigen“ Konflikten.

In Aufstellungen nehmen wir das System als Ganzes in den Blick. Wir finden heraus, was gesehen und anerkannt werden muss, damit das System in Balance kommt und die Symptombildung aufhören kann. Dass gesehen wird, was wirkt, hat eine tiefe Wirkung, die derjenige, der mit einem Problem zu einer Aufstellung kommt, meist sofort spürt. Wenn er tatsächlich hinschaut – auf den verleugneten Vater, auf die Gründerfamilie seines Betriebs, auf das bei einem Unfall verlorene Organ oder Körperteil – kann sich in ihm etwas entspannen. Es ist, als ob er das lange vermisste Teil zu einem Puzzle findet: Das Bild wird vollständig.

Familienaufstellungen

Familienaufstellungen sind die Basis der Aufstellungsarbeit, auch historisch gesehen. Mit dem Einsatz von stellvertretenden Menschen, die weder den Aufstellenden noch dessen Familiengeschichte zu kennen brauchen, werden die Mitglieder einer Familie in Beziehung zueinander im Raum positioniert, einschließlich eines Stellvertreters für den Aufstellenden, der ein Problem lösen will. Dies geschieht aus der Eingebung des Aufstellenden heraus und ist nicht zu verwechseln mit einer Inszenierung oder einem Rollenspiel. An ihren Positionen nehmen die Stellvertreter (Repräsentanten) Gefühle, körperliche Empfindungen und Gedanken wahr, die nicht ihre eigenen, sondern die der jeweils vertretenen Familienmitglieder sind. Dieses Phänomen ist naturwissenschaftlich noch nicht restlos erklärt, jedoch empirisch x-fach nachgewiesen. Offenbar gibt es ein mit den 5 Sinnen nicht wahrnehmbares Feld voller Informationen, die wir über noch nicht benannte Wahrnehmungskanäle empfangen können.

In Aufstellungsprozessen beginnen wir, mehr zu sehen, zu hören, zu erkennen und zu fühlen, als wir für möglich hielten. Unsere intuitiven Kapazitäten erweitern sich und schließen Wahrnehmungen mit ein, die als prophetisch und hellseherisch verklärt wurden oder als Aberglaube gelten.

Klaus P. Horn

Die Blickrichtung und die Abstände in Bezug auf andere Familienmitglieder spielen dabei eine wichtige Rolle: Wer sieht wen? Fällt es jemandem schwer, eines der anderen Familienmitglieder anzuschauen? Wer will gern gesehen werden, vermisst das aber? Steht jemand mit dem Rücken zum restlichen System, so dass er niemanden anderen sehen kann? Dieses erste Bild und die Befragung der Repräsentanten durch mich als Leiterin zeigen dem Aufstellenden bereits, welche unbewusste Dynamik in seiner Familie am Werk ist.

Maluri - Sonnenaufgang im Morgentau

Maluri – Sonnenaufgang im Morgentau

In weiteren Schritten werden dann, je nach Anliegen des Aufstellenden, Positionen verändert und überprüft, welche Wirkung dies hat. Wo entspannt sich das System, wenn zum Beispiel die mit dem Rücken zu den anderen Positionierte sich umdreht? Wie geht es dieser selbst dann? Will sie gesehen werden? Will sie weg? Auch können Sätze gesprochen werden, die das ausdrücken, was der Fall ist: „Du bist mein Vater. Ich habe dich nicht kennenlernen dürfen.“ „Du warst seine erste Frau. Ich bin die zweite und achte dich.“ „Du warst mein großer Bruder. Du bist viel zu früh gegangen. Ich vermisse dich.“ Auch hier erkennt man das Prinzip: Anerkennen, was ist – anerkennen, was wirkt.

Zu den Familien-Aufstellungen zählen zum einen Aufstellungen der Herkunftsfamilie: ich, meine Eltern, meine Geschwister, auch Stiefeltern und Halbgeschwister, je nach Thema auch Großeltern und weitere Verwandte. Zum anderen kann die Gegenwartsfamilie aufgestellt werden: ich, mein Partner/ meine Partnerin, frühere Partner(innen), zu denen eine feste Bindung bestand, eigene, gemeinsame und Stiefkinder.

Familienaufstellungen sind insofern die Basis, als sehr viele Probleme und Konflikte sich als Symptome einer eigenen Familien-Dynamik verstehen lassen. Ein an verschiedenen Arbeitsstellen wiederkehrender Konflikt im Beruf kann eine tiefere Ursache darin haben, dass du unbewusst eine nicht gelöste Konfliktsituation aus deiner Herkunftsfamilie zu lösen versuchst; wir nennen das „Re-Inszenierung“. Auch körperliche Symptome können eine tiefer liegende Ursache in der unbewussten Verbundenheit mit einem Mitglied deiner Familie haben, dessen Schicksal, zum Beispiel ein Opfer, das es erbracht hat, gewürdigt werden will.

Bild als horizontaler Trenner

Organisationsaufstellungen

Auch Organisationen (Unternehmen, Vereinigungen, Soziale Einrichtungen usw.) sind Systeme, deren Mitglieder und Strukturen Funktionen erfüllen – erfüllen sollen – damit das System seiner Aufgabe gerecht wird. Sowohl Menschen als auch Strukturelemente wie Abteilung, Vertrieb, Öffentlichkeitsarbeit, Produkte usw. können ebenfalls mit Stellvertretern dargestellt werden. Die Vorgehensweise ist ähnlich wie bei den Familienaufstellungen. Positionierung durch den, der das Problem einbringt, Befragung, neue Positionen testen usw.

Symptomaufstellungen

Stellvertreter für das Symptom, zum Beispiel deine Migräne, und für dich als Symptomträger(in) werden aufgestellt. Auch hier zeigt sich zunächst, wer wen wie (an)sieht und was beide fühlen. Bei dieser Art Aufstellung bewegt sich „das Symptom“ frei, näher heran oder weiter weg, wodurch deutlicher wird, in welcher Richtung eine Lösung zu finden sein dürfte; eine Lösung, die das Symptom überflüssig macht.

Aufstellungen innerer Anteile

Da wir im Laufe unserer Entwicklung verschiedene Anteile in uns verschieden stark entwickeln, kommt es vor, dass wir einseitig die Anteile ausleben, mit denen wir einst als Heranwachsende den meisten Erfolg in Sachen Fürsorge, Zuwendung, Annahme und Anerkennung erzielten. Häufig sind das Anteile wie der Leistungsorientierte, die Perfektionistin, der Nette, die Schmeichlerin. Wir geraten damit in Dysbalance und vernachlässigen andere Anteile, die auch zu uns gehören und ein Schattendasein führen. Beispiele: die Zarte, der Entspannte, der Zaghafte, die Abenteurerin. Diese Dysbalance kann sich in Unwohlsein, Gereiztheit, Erschöpfung und vielen anderen Symptomen äußern.

Auch bei einer Aufstellung innerer Anteile stellst du Stellvertreter für dich und die im Vorgespräch benannten Anteile auf. Der weitere Verlauf ähnelt dem bei anderen Aufstellungen.

Aufstellungen im Einzel-Setting

Im Coaching können wir auch ohne stellvertretende Menschen eine System-Aufstellung machen. Du positionierst statt Menschen Symbole im Raum, wir betrachten gemeinsam das Bild und dann trittst du selbst nacheinander an die einzelnen Plätze. Du fühlst dich also direkt in die Perspektive deiner Systemmitglieder ein. Die weitere Prozessarbeit verläuft analog zu den anderen Aufstellungen.

Wenn du nicht selbst auf die verschiedenen Plätze gehen willst oder kannst, kann auch ein „Springer“ eingeladen werden, der diese Aufgabe übernimmt.

System-Aufstellungen oder systemische Aufstellungen?

Maluri - Gelbsee

Maluri – Gelbsee

Die systemische Familientherapie arbeitet mit der Familie selbst und leitet ihre Mitglieder an, ihre Interaktionsmuster zu erkennen, zu beobachten und gegebenenfalls zu verändern. Beispielsweise zu erkennen, dass eine kleine Veränderung eines Verhaltensmusters durch einen Menschen alle anderen dazu anregt, sich ebenfalls anders zu verhalten: Verhalten wirkt systemisch, also immer im gesamten System.

Die Aufstellung eines Familien-Systems mit Hilfe von Stellvertretern oder Symbolen dient Mitgliedern dieses Systems zur Betrachtung der unbewussten Dynamik, die das Verhalten beeinflusst. Es brauchen nicht alle System-Mitglieder anwesend zu sein, und sie brauchen auch nicht informiert oder einbezogen zu werden. Eine Aufstellung kann Teil einer systemischen Therapie oder eines systemischen Coachings sein; meinem Verständnis nach ist sie selbst aber nicht „systemisch“.