Empathische Begleitung von Kindern und Jugendlichen durch Eltern und pädagogische Fachkräfte

Empathie und Bindung

Bei der Begleitung von Kindern spielen Empathie und Bindung eng zusammen. Jedes Kind braucht um zu gedeihen mindestens einen Menschen, an den es sicher gebunden ist. Von der Natur ist dafür die Mutter vorgesehen. Bei einer ungestörten Schwangerschaft wird die Bindung bereits vor der Geburt angebahnt, in den entscheidenden 20-30 Minuten direkt nach der Geburt und den folgenden Stunden wird sie fest geknüpft – vorausgesetzt, Mutter und Kind können Herz an Herz, Haut an Haut liegen und während des ersten Stillens Blickkontakt zueinander aufnehmen. Dann sagen beide dem anderen ins Gesicht: „Da bist du ja!“.

Ute Hartwig-Schulz - Mutter mit Kind

Ute Hartwig-Schulz – Mutter mit Kind

In der folgenden Zeit bleibt die Bindung an die Mutter die Basis für alle Entwicklungsschritte des Kindes. Nie wieder lernt es so viel in so kurzer Zeit wie in den ersten Lebensjahren. Dafür braucht es Sicherheit durch eine vertraute, möglichst entspannte Umgebung und Menschen, die in der Lage sind, sich auf es einzustimmen. Sich einstimmen zu können ermöglicht es den Erwachsenen, dem Kind seine Bedürfnisse zu erfüllen, worauf es zunächst ganz und gar angewiesen ist. Schritt für Schritt lernt es bei empathischer und verlässlicher Begleitung, sich selbstständig um die Erfüllung seiner Bedürfnisse zu kümmern, und Erwachsene können sich nach und nach – bis das Kind etwa 21 Jahre alt geworden und sein Gehirn ausgereift ist – aus der Verantwortung für das Gedeihen ihres Nachwuchses zurückziehen.

Siehe hierzu auch Bindung und Urvertrauen auf nestbau-familie.de

Empathie und Lernen

Kinder lernen, was wir ihnen vorleben. Karl Valentin, der unvergessene bayerische Komiker, soll gesagt haben: „Es hat keinen Zweck, Kinder zu erziehen – sie machen uns sowieso alles nach.“

Somit nehmen Eltern und Pädagogische Fachkräfte die Schlüssel-Position für die Gestaltung einer empathischen Zukunft für uns alle ein! Kinder und Jugendliche sind auf Begleitung durch Menschen mit mehr Lebenserfahrung, Wissen und Können angewiesen. Diese haben also eine kaum zu überschätzende Verantwortung für ihr eigenes Verhalten und Auftreten, für ihre eigenen Konzepte und Vorstellungen von Erziehung, für ihre Sprache. Mit jeder Lebensäußerung sind sie Vorbilder für Kinder, und Kinder imitieren diese, sobald sie dazu in der Lage sind. Kinder sehen das als normal und nachahmenswert an, was ihnen vorgelebt wird.

Daraus folgt, vereinfacht gesagt: empathische Erwachsene – empathische Kinder; unempathische Erwachsene – unempathische Kinder. Jospeh Chilton Pearce nannte diesen Zusammenhang den Modell-Imperativ. Anders ausgedrückt: Willst du, dass Kinder so empathisch bleiben, wie sie es von Geburt aus sind, und zu empathischen Erwachsenen heranwachsen – sei du selbst empathisch mit ihnen.

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Erziehung = Beziehung

Was im sogenannten Erziehungs-Prozess geschieht, ist ein permanentes sich aufeinander Beziehen. Ja, Erziehung ist Beziehung, egal, mit welchen Vorstellungen und Konzepten wir auf Kinder und Jugendliche einwirken wollen! Beziehung zwischen Subjekten mit individuellen Eigenschaften, temporären Wünschen, wechselnden Gefühlen. Zwischen Subjekten, die grundsätzlich dieselben Bedürfnisse haben, jedoch unterschiedliche Möglichkeiten, sich für diese einzusetzen oder auch nur sie in einer konkreten Situation benennen zu können. Subjekte mit mehr oder weniger Lebenserfahrung, Wissen und Können.

Je größer Wissen und Können, desto größer die Verantwortung – in gewissem, veränderlichem Umfang auch die Verantwortung für die Versorgung des kleineren, weniger erfahrenen Wesens, das erst nach und nach lernt, sich seine Bedürfnisse selbstständig zu erfüllen. Darin benötigt es zu Beginn rund um die Uhr Begleitung, in späteren Jahren Schritt für Schritt weniger. Je verlässlicher diese Begleitung von Empathie getragen ist, desto sicherer fühlt sich ein Kind; und je sicherer es sich fühlt, desto besser kann es sich entspannt seinem aufregenden Leben zuwenden; und wenn es dies entspannt tun kann, dann lernt es unermesslich viel in kürzester Zeit.

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Lernbegleitung: Die Kinder lernen lassen

Lernbegleitung hat daher vor allem die Aufgabe, eine sowohl physisch wie auch emotional sichere und entspannte Umgebung zu schaffen, in der Kinder ihrem inneren Entwicklungsplan folgen können. Belehrung durch ungefragte Kommentare, Erklärungen und vorgegebene „Lernziele“ ist fehl am Platze; mehr hierzu in meinem Buch Lernbegleitung – In Beziehungen wachsen. Im besten Fall rauschen sie am Kind vorbei, da es nur das wirklich in sich aufnimmt, was gerade zu seinem individuellen Entwicklungsschritt passt. Leider rufen diese gut gemeinten Belehrungen jedoch auch Schäden hervor. Nicht, weil Wissen an sich schädlich wäre; sondern, weil Erwachsene dazu neigen, Kindern etwas „beibringen“ zu wollen: Sie versuchen mit Tricks („Motivation“), Belohnung, Strafe, Noten, Lob und Tadel etwas in die Kinder hineinzutrichtern. Dies ist Gewalt, vor der der kindliche Organismus sich schützen muss.

Ute Hartwig-Schulz - Schwester und Bruder

Ute Hartwig-Schulz – Schwester und Bruder

Dazu hat das Kind nur die Wahl zwischen zwei Wegen: Kooperation, also Anpassung, oder Verteidigung seiner Integrität, also Rebellion, Verweigerung. Letztere ist für kleine Kinder so gut wie aussichtslos. Folglich passen sie sich an auf Kosten ihrer Integrität, auf Kosten ihres einzigartigen Wesens mit all seinen Facetten. Um ihrer Sicherheit vor Strafe oder anderen Schmerzen willen lernen sie, ihre Authentizität einzuschränken oder sogar restlos zu verleugnen. Das Resultat nannte M.B. Rosenberg „nice dead people“ – nette, tote Menschen. In der modernen Psychologie spricht man von Normopathie (siehe das Video Der Teufelskreis der Normopathie mit Raik Garve).

Die Kinder und Jugendlichen, die sich überwiegend anpassen, gelten unter Erziehenden gern als „pflegeleicht“ oder „gut erzogen“. Die anderen, die sich eher mit Rebellion durchzukämpfen versuchen, sind weniger beliebt und gelten als schwierig. Es gilt zu erkennen, dass weder die einen noch die anderen gesund und glücklich sind – und es ohne entsprechende Hilfe auch als Erwachsene nicht sein können werden!

Mitfühlende Elternschaft in der frühen Kindheit ist wie ein gut gebautes Boot, das das Kind vor dem Ozean der nachfolgenden Enttäuschungen, Frustrationen und Leiden schützt.

Ian Hunt

Mein Angebot

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Eltern, Großeltern, Pflegeeltern sowie alle, die professionell mit Kindern arbeiten, erhalten bei mir Anleitung, sich selbst und die Kinder empathisch wahrzunehmen. Sie lernen, zwischen ihren vorgefertigten Konzepten und ihren dahinter stehenden Bedürfnissen sowie ihren eigenen, oft unbewussten, Handlungsmustern in Stress-Situationen einerseits und den Empfindungen und Bedürfnissen des Kindes andererseits zu unterscheiden. Sie erfahren mehr über das Kern-Dilemma jedes Kindes: Sich anzupassen zum Preis der Selbst-Verleugnung, oder sich zu verweigern zum Preis der Bedrohung seiner emotionalen und manchmal auch physischen Sicherheit.

In Workshops, bei individuell vereinbarten Terminen (auch online) und beim kostenlosen monatlichen Online-Treffen Erziehung = Beziehung arbeiten wir praxisnah an euren Anliegen und Beispielen. Auf YouTube veröffentliche ich Videos und Podcasts rund um das Thema.